Freitag, 17. August 2012

"Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns ..."

Schon lange hat es mich erstaunt, dass beim Wort der heutigen Tageslosung Jo 1,14 das ἐσκήνωσεν in den meisten Übersetzungen so farblos mit "wohnte" wiedergegeben wird. σκήνη ist griechisch das Zelt oder die Hütte. In Offbg 21,1 heißt es von Gott, dass seine σκήνη am Ende der Zeit bei uns sein wird und er bei uns "zelten" wird (σκήνωσει). Ἑορτή τῶν σκηνῶν ist die Septuaginta-Übersetzung für das Laubhüttenfest. In Gen 13,12 wird in der Septuaginta ἐσκήνωσεν für das hebräische Wort für "er zeltete" (ויאהל) wiedergegeben - hier ist die Rede von Lots Zelten bei Sodom; denn als Nomade genießt er hier eben kein Heimatrecht und wird bald von den Sodomitern gefangen.

Wenn Gott sich bei den Menschen niederlässt, dann tut er das nicht in Palästen oder Festungen - dann bleibt etwas Provisorisches, Transitorisches, aber auch Leichtes und Bewegliches dabei, so wie bei den Nomaden und ihren Zelten. Man sagt immer, im Johannesevangelium ersetze der Prolog die Weihnachtsgeschichte und verlagere das irdische Geschehen in vorzeitliche Transzendenz. Aber stimmt das? Schimmert nicht in dem einen Wort ἐσκήνωσεν bereits das irdische Geschick Jesu hindurch, begonnen in einem Stall in Bethlehem, während seine Eltern auf der Reise waren wie einst ihre nomadischen Vorfahren? Jesu Wohnen ist keine Landnahme und kein Bleiben auf Dauer: "Der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege." (Mt 8,20) Verbindet nicht dies eine Wort ἐσκήνωσεν Jesus mit dem Ergehen der Erzväter, ihrem prekären Sein auf dieser Erde, und überhaupt mit der Geschichte und dem Ergehen Israels?

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